Ermländisch: Ein Interview

Man muss die Mundarten schätzen, sowie für sie kämpfen, sonst geraten sie in Vergessenheit. –

Katarzyna Sierak: Frau Lewandowska, Sie haben vor kurzem als erste in unserer Region den Preis im. Władysława Orkana für die Verbreitung der regionalen Kultur bekommen. Die Begründung lautete: „Für die Verbreitung des Wissens über die ermländische Mundart.“ Woher kam eigentlich die Idee, sich mit der ermländischen Mundart zu beschäftigen?


Prof. Izabela Lewandowska: Ich habe mich für die Geschichte von Ermland und Masuren schon in der Studienzeit interessiert. Deswegen habe ich auch meine Magisterarbeit dem ermländischen Bischof – Jan Stefan Wydżga gewidmet. Da ist eigentlich meine Vorliebe für diese Region entstanden. Dann kam die berufliche Tätigkeit an der Universität und die Vertiefung des Interesses an dieser Region. Alles veränderte sich, als ich Edward Cyfus, den geborenen Ermländer, kennengelernt habe. Seit diesem Moment habe ich angefangen, meine Aufmerksamkeit auch dieser Art von Sprache zu schenken.

K.S.: Die ermländische Mundart wurde im Jahre 2016 in die Liste des UNESCO-Kulturerbes eingetragen. Allen voran Sie haben einen großen Beitrag dazu geleistet. Was ist charakteristisch für diese Art von Sprache? Was unterscheidet sie von den anderen Mundarten Polens?
I.L.: „Warmnijsko godka“, wie man sie nennen kann, wurde in die Liste des UNESCO-Kulturerbes als mündlicher Überlieferungsträger eingetragen. Was ist charakteristisch für sie? Sie ist sehr ungleich. In verschiedenen Bereichen Ermlands können einige Dinge oder Situationen anders genannt und/oder bezeichnet werden. Ein Beispiel dafür: auf das Wort zaręczyny (dt. die Verlobung) sagte man in einem Teil zrankoziny, in dem anderen aber glandy. In dieser Mundart gibt es keine festen Regeln. Deswegen ist sie auch keine wahre Sprache, sondern eine Mundart. Es existieren nur einige, die wir für den Abc-Buchbedarf bearbeitet haben. Dasselbe betrifft die Aussprache.

K.S.: Könnten sie einige Beispiele dafür geben?
I.L.: Ja, natürlich. Zu dem charakteristischen Zeichen der ermländischen Mundart gehört z.B. die Tatsache, dass sie mehr palatalisiert wird als die anderen polnischen Mundarten. Daher sind auch die Wörter wie: bzieda statt bieda und psies statt pies entstanden. Man hat auch die Konsonanten zi anstatt ż benutzt: zióroź, zielazo für die polnischen Wörter: żuraw und żelazo. Die letzte Regel betrifft den Konsonanten „Ł“. Man muss ihn immer vor dem Laut „O“, der am Anfang des Wortes steht, hinzufügen. Deswegen treten Wörter, wie: łozies statt owies und łokno statt okno auf.

K.S.: Ich weiß, dass Sie ebenfalls die Mitautorin des ersten Abc-Buches der ermländischen Mundart sind. Mit solch einem Wissen über diese Art von Sprache und aufgrund Ihres Berufes als Historikerin kennen Sie bestimmt die Anfänge ihrer Existenz. Könnten Sie uns die Wurzeln der ermländischen Mundart näher erklären?
I.L.: Selbstverständlich. Ihre Anfänge gehen auf das XVI-XVIII Jahrhundert zurück. In dieser Zeit sind Ermland und die Einwohner von Hinterpommern, das einen Teil Königlich-Preußens gebildet hatte, nach Polen gekommen. Aus der Mischung verschiedener Mundarten Polens, vor allem: der kurpischen, kaschubischen und Kociewie-Mundart ist die ermländische Mundart entstanden. Bis zu der ersten Teilung Polens, als Ermland unter die Herrschaft Preußens fiel, wurde auf diesen Gebieten polnisch gesprochen. Seit dieser Zeit hat sich aber alles verändert. Die polnische Sprache wurde verboten, und das Deutsche ist natürlich zur Amtssprache geworden. Die Ermländer gaben jedoch nicht nach. Obwohl sie offiziell Deutsch sprechen mussten, unterhielten sie sich zu Hause und unter sich in der altpolnischen Sprache, d.h. mit Hilfe ihrer ermländischen Mundart. Nichtsdestoweniger sind die germanischen Einflüsse in der ermländischen Mundart stark zu erkennen. Dies war einer der Gründe, weshalb sie nach dem Jahre 1945 als keine polnische Sprache eingeschätzt wurde. Man sagte, dass sie einen harten Akzent hat und wie die deutsche Sprache klingt. So wundert es niemanden, dass die ermländische Mundart da zum wiederholten Male verboten wurde. Welch ein Wunder, dass sie diese ganzen Jahrhunderte überdauerte! Deswegen ist es auch für uns derzeitig so wichtig, sie vor dem Vergessen zu bewahren.

K.S.: Ich habe ein bisschen recherchiert und erfahren, dass Sie in Zusammenarbeit mit Edward Cyfus die ermländischen Mundardworkshops durchführen. Können Sie fließend „po naszamu“ sprechen?
I.L.: Leider nicht. Ich verstehe die ermländische Mundart. Ich bin auch in der Lage, die ermländischen Texte zu lesen. Fließend sprechen kann ich aber nicht. Meines Erachtens haben nur diese Menschen die Chance, fließend eine Fremdsprache oder einen Dialekt zu sprechen, wenn sie einmal diese Art von Sprache zu Hause hörten und sie da auf natürliche Weise erwarben. Für mich scheint es schwer zu sein, fließend in dieser Mundart zu sprechen, weil es keinen Menschen in der Nähe von mir gibt, der mit mir dieses Sprechen regelmäßig üben könnte.

K.S.: Ja, das ist mir durchaus verständlich. Aber zurück zu den Workshops. Wer kann solche Kurse besuchen? Gibt es viele Freiwillige, die sich dazu melden?
I.L.: Generell jeder Freiwillige. Wir veröffentlichen immer eine Mitteilung über unsere Mundartworkshops. Wenn jemand daran teilnehmen möchte, muss er sich nur bei uns melden und ein Formular ausfüllen. Es gibt immer sehr viele Freiwillige. Letztens z.B. haben sich 40 Personen für 15 Plätze registriert. Das ist unglaublich, oder?

K.S.: Ja, wirklich. Und wie entstehen diese Workshops? Wer initiiert das?
I.L.: Leider können wir uns selbst nicht um ein Projekt bewerben. Ein Verband muss ein Projekt schreiben, das weiter zugelassen oder abgelehnt wird. Falls es die Zustimmung findet, bekommen wir eine Finanzierungshilfe und können mit dem Workshop beginnen.

K.S.: Ich verstehe. Frau Lewandowska, ich möchte mich bei Ihnen für dieses interessante Gespräch, sowie für ihre Zeit ganz herzlich bedanken. Das war für mich wirklich eine große Ehre, mich mit diesem Thema beschäftigen zu können und mehr davon zu erfahren. Frau Lewandowska, sowohl für die weitere Tätigkeit, als auch im Beruf wünsche ich Ihnen sehr viel Glück. Danke schön.
Frau Lewandowska ist Erforscherin des Kulturerbe von Ermland und Masuren, Regionalistin sowie Professorin an der Universität von Ermland und Masuren in Olsztyn